Peru zu verlassen, unsere Motorräder mit unserem Hab und Gut stehen zu lassen und in ein Flugzeug nach Hause in die Schweiz zu steigen, fiel uns ehrlich gesagt recht schwer. Seit 2 Jahren waren wir nicht mehr Zuhause gewesen und hatten mit unseren Familien und Freunden nur übers Internet Kontakt. Der Plan nach Hause zu fahren entstand schon vor Längerem in Brasilien. Wir merkten, dass uns die Begegnungen unterwegs nicht die langjährigen Freundschaften ersetzen konnten. Wir fühlten uns oft etwas einsam und sehnten uns nach normalen Gesprächen mit Menschen, die man schon lange kennt und die uns auch kennen. Wir waren müde vom ständigen Neuorientieren und wir waren müde, vom ständigen Organisieren und sich immer wieder zurecht finden zu müssen. Wir sehnten uns nach einem Ort, an dem wir wissen, wie alles funktioniert und deshalb alles weniger Energie braucht. Da wir aus Brasilien nicht einfach so aus- und wieder einreisen konnten, entschieden wir uns, nach Peru zu fahren und dann nach Hause zu fliegen.
Für uns war das eine Premiere. Viele Reisenden fliegen immer wieder nach Hause und reisen eigentlich nur Etappenweise, aber für uns ist die Welt unser Zuhause, oder genauer gesagt, dort wo unser Zelt steht. Nach so langer Zeit unterwegs ist das Reisen Alltag und eine Reise in die Schweiz war kein nach Hause kommen, sondern Urlaub an einem Ort, den man einmal Zuhause genannt hat. Es war eher so ein Gefühl als wenn man irgendwohin geht, wo man früher mal gewohnt hat. Man kennt sich aus, man hat noch Freunde dort, aber irgendwie gehört man nicht mehr so richtig dort hin. Es gehört zu einem Leben von früher.
Wir haben uns weiter entwickelt, wir haben neue Denkweisen kennen gelernt, aber alles rund um uns, war noch dasselbe, wie vor Jahren.
Wir genossen die 10 Wochen, die wir in unserer Heimat hatten. Wir versuchten so viel wie möglich mit Familie und Freunden zu unternehmen und hatten so immer einen vollen Terminplan. Nebenbei arbeiteten wir noch ein wenig, um die Kosten für die Schweiz-Reise decken zu können, damit sie uns nicht ein grosses Loch in unser Reisebudget frisst. Bekannterweise ist die Schweiz ja sehr teuer und auch ein Flug von Südamerika nach Europa und zurück kostet für uns richtig viel Geld. Ausserdem nutzten wir die Gelegenheit unsere Ausrüstung wiedermal auf Vordermann zu bringen und alle Ersatzteile, Imprägnierungen, Waschmittel, Kleber, neue Kleidung etc. zu kaufen, die in Südamerika gar nicht oder nur sehr schwer zu finden sind. Und natürlich auch das ist nicht gerade billig.
Das Wiedersehen mit all den Leuten war wundervoll. Einerseits fühlte es sich an, als wären wir nie weg gewesen. Wir kennen ihren Lebensstil und die damit verbundenen Sorgen. Wir konnten uns wiedermal einfach über Gott und die Welt unterhalten, ohne dass wir die ständigen Fragen des ersten Kennenlernens beantworten mussten. Für uns war das eine Wohltat und wir genossen jede einzelne Begegnung davon. Und doch fragten wir uns immer wieder, ob wir wirklich langfristig in diese Welt zurück kehren möchten. Durch die Reise und unsere Volunteer-Einsätze haben wir andere Lebensweisen und deren Möglichkeiten kennen gelernt. Es sind Lebensentwürfe, die in der Schweiz nicht möglich wären, bei denen man aber auch auf vieles, was man in der Schweiz hat, verzichten müsste. Und wiedermal gibt es kein richtig oder falsch, besser oder schlechter, sondern es geht einfach um die verschiedenen Möglichkeiten, die sich in verschiedenen Ländern anbieten.
Die Schweiz und wahrscheinlich auch viele andere Länder in der westlichen Welt, sind sehr reglementierte Länder, in denen die Gesellschaft und das System viel vorgeben. Dies natürlich im positiven Sinn, aber auch hier gibt es gewisse Schattenseiten. Wir beide sind sehr freiheitsliebende Menschen und wir haben in den letzten Jahren komplett frei gelebt. Ist ein Wiederkehren in diese Strukturen dann für uns sinnvoll? Wir wissen es nicht, aber durch unseren Besuch in der Schweiz konnten wir wieder hinein spüren wie es wäre, wieder in die Schweiz zurück zu kehren, die Beziehungen zu unseren Freunden und Familien wieder zu stärken und dort wieder ein neues Leben zu beginnen. Oder langfristig die andere Variante zu wählen und uns irgendwo auf der Welt niederzulassen mit allen Vor- und Nachteilen und allen unangenehmen und unvorhersehbaren Dingen, die dazu gehören.
Zuhause ist für uns ein weiter Begriff, den wir nicht genau definieren können. Im Moment ist das Zelt unser Zuhause und die Schweiz unsere Heimat. Wir mögen die Schweiz und ihre Traditionen und integrieren gerne immer wieder einige Dinge, wie den Sonntagszopf in unseren Reisealltag. Doch es ist interessant, wie sich der Blickwinkel mit dem Reisen öffnet und man plötzlich altbekannte Dinge hinterfragt, die man nie hinterfragt hätte. Die Schweiz ist uns sehr bekannt und doch irgendwie fremd geworden. Wir hatten das Gefühl ein bisschen die Sichtweise eines Ausländers zu bekommen, der das erste Mal in die Schweiz kommt und den extrem hohen Standard zum ersten Mal sieht. Dass da viel Neid aufkommen kann und man unbedingt in diesem Land leben möchte, können wir gut verstehen. Doch wie überall trügt der Schein und wir empfinden die Schweiz nicht unbedingt als einfaches Land (falls es das überhaupt gibt). Doch es ist auf jeden Fall ein Land, das viel Sicherheit vermittelt und man auch ein sehr gutes und bequemes Leben führen kann.
Die Zeit in der Schweiz war sehr intensiv und auch von hier nehmen wir wieder viele Eindrücke und Impressionen mit. Wie jeder Ort, an dem wir auf unserer Reise waren, hat auch die Schweiz uns zum Nachdenken angeregt, wir haben wie immer vieles erleben dürfen und es hat wie immer viele Fragen über unser Leben aufgeworfen. Die Zeit mit unseren Liebsten war natürlich das Schönste und wir genossen es sehr. Wir sind sehr dankbar, dass wir diese Reise machen konnten und ich glaube, nicht nur für uns, sondern auch für unsere Familien und Freunde war dieser Besuch etwas Spezielles und wir haben ihn alle sehr genossen. Doch so schön es auch war, es war auch wieder Zeit in unser Leben zurück zu kehren und unsere Reise fort zu setzen. Denn wie immer, würden wir uns bald in der Schweiz wieder zu Hause fühlen und es würde zum Alltag werden und den Charme wieder verlieren.
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